Im netz fand ich folgenden tollen Text,
den ich Euch nicht vorenhalten möchte:

Das Stillen eines älteren
Babys
von Elizabeth Hormann, IBCLC
übersetzt von Eva Stroh mit Hilfe von Brigitte Braun-Smith
In den späten 60iger Jahren, als ich zum ersten Mal ein Kleinkind stillte, gab
es eine Vielzahl von Kommentaren, die meisten davon negativ: "Wann gibst Du
ihr endlich ein "richtiges" Essen?" (Sie aß uns bereits die
Haare vom Kopf.) "Du wirst niemals von ihr loskommen." (Ich nahm
damals dreimal die Woche Unterricht.) "Wenn Du sie nicht abstillst, bevor
sie sauber ist, wird sie niemals ihre orale Phase von ihrer analen Phase
unterscheiden können." (Zu spät - sie trug schon lange keine Windeln
mehr. 25 Jahre später warte ich immer noch auf die negativen Folgen.)
Alle paar Jahre verändern sich die Gründe ein wenig, die gegen ein
langfristiges Stillen sprechen, um sich dem kulturellen Klima anzupassen. In
Deutschland, wo ich zur Zeit wohne, ist das immer beliebte Argument
"Muttermilch ist mit Schadstoffen belastet" führend in der Kritik
gegen Mütter, die länger als sechs Monate stillen. In Großbritannien, wo
meine Tochter mit ihrem gestillten Sohn lebt, werden Mütter, die länger als
ein Jahr stillen, mit Argumenten wie der Gefahr eines erhöhten
Cholesterinspiegels und Tod durch Herzprobleme konfrontiert. In den Vereinigten
Staaten konzentrieren sich die Abschreckungstechniken auf die Gefahr des
sexuellen Mißbrauchs.
In völligem Kontrast zur Massenhysterie bezüglich der "Risiken"
langen Stillens, steht die "Innocenti Declaration" von 1990, die
angibt, dass gemäß dem weltweiten Stillziel "alle Säuglinge ausschließlich
mit Muttermilch ernährt werden sollen und zwar von der Geburt bis zu vier bis
sechs Monaten ... weiterhin bis sie zwei Jahre alt sind oder darüber hinaus, während
sie zusätzlich mit dem passenden und angemessenen Essen versorgt werden. (1)
Diese Erklärung, aufgenommen bei einem Treffen der Verantwortlichen für die
Richtlinien der WHO/UNICEF, wurden zusammengestellt von Vertretern jener führenden
Hilfsorganisationen wie "USAID" (Amerikanische
Entwicklungshilfsorganisation), SIDA (Schwedische Entwicklungshilfsorganisation)
und der Weltbank. Und die Empfehlungen sind nicht nur gültig für
benachteiligte oder arme Völker oder Kinder in Entwicklungsländern, sondern für
alle Kinder in der Welt.
Warum geben diese Richtliniengestalter, viele aus Industrieländern,
Empfehlungen ab, die den Praktiken der meisten Industrieländer zuwiderlaufen
und zunehmend auch denen der Entwicklungsländer? Ganz einfach, weil Stillen gut
für Kinder ist - nicht nur für Säuglinge sondern auch für ältere Babys und
Kleinkinder. Und es ist gut für sie in vielfach bedeutender Hinsicht.
Ernährung
Muttermilch ist eine komplette Mahlzeit bis zum Alter von vier bis sechs
Monaten. Über diesen Punkt hinaus möchten manche Babys von sich gut ernährenden
Müttern weiterhin ausschließlich gestillt werden, obwohl die meisten Babys in
der Mitte ihres ersten Lebensjahres ihren gastronomischen Horizont erweitern
wollen.
Zusätzliche Mahlzeiten müssen und sollen nicht das Ende des Stillens bedeuten.
Untersuchungen zeigen, dass während des größten Teils des ersten Lebensjahres
Muttermilch "die wichtigste Quelle guter Proteine, Vitamine und anderer Nährstoffe
bleibt. Alles, was das Kind braucht, ist etwas zusätzliche Energie und
Proteine." (2) Getreide stellt eine gute Quelle zusätzlicher Energie
(Kalorien) und Proteine dar. Der Zusatz von etwas Früchten oder Fett in Form
von Öl oder Butter, kann die zusätzliche Kalorienaufnahme erhöhen.
Um den ersten Geburtstag herum verschiebt sich das Gleichgewicht ein wenig. Eine
Reihe anderer Nahrungsmittel, abgesehen von Muttermilch, werden wichtig.
Trotzdem bietet weiterhin das Stillen noch immer wesentliche Vorteile.
Studien, die in Entwicklungsländern durchgeführt wurden, zeigen, dass
gestillte Kinder zwischen 12 und 18 Monaten 2-5% mehr Energie aufnehmen, als
ihre nicht gestillten Spielkameraden. Nach 1-8 Monaten liegt die Energieaufnahme
immer noch hoch, bei ca. 17%. (3) Muttermilch kann bis zu 31% der Kalorienzufuhr
eines Kleinkindes zur Verfügung stellen und 38% aller Nahrungsproteine. Zusätzlich
erhalten Kleinkinder zwischen 13 und 18 Monaten 9-5% ihres Vitamin C-Bedarfs und
100% ihres Vitamin A-Bedarfs aus der Muttermilch. Andere Vitamin- und
Mineralstoffaufnahmen sind zwar geringer, aber immer noch bedeutend: 44%
Calcium, 41% Niacin, 41% Folsäure, 21% Riboflavin. (4 ) Außerdem bewirkt die höhere
biologische Verwertbarkeit des Eisens in der Muttermilch im Vergleich zu
Kuhmilch, dass gestillte Kleinkinder bis zu 50% ihres Eisenbedarfs mit Hilfe von
Muttermilch decken. (5)
Der Einfluß von Muttermilch auf Kleinkinder, die mit bedeutenden Mengen von
hochenergetischen Nahrungsmitteln ernährt werden, kann etwas geringer ausgeprägt
sein. Was macht eine "bedeutende Menge" aus? Es kommt auf das
Nahrungsmittel an. Traditionell übliche Nahrungsmittel stellen in der Regel
weniger Energie und Nährwerte als Muttermilch zur Verfügung, obwohl sie während
des Abstillprozesses sehr empfohlen werden. Muttermilch bietet mit 70kcal pro ml
doppelt soviel Energie pro Mahlzeit als sogar qualitativ sehr hochwertige
Getreidekost.
Kleinkindern aller Altersstufen ergeht es am besten, wenn andere Nahrungsmittel
Muttermilch ergänzen und nicht ersetzen. Kinder, die bereits im zweiten
Lebensjahr abgestillt werden, weisen ein Energiedefizit in einer von Höhe bis
zu 28% auf, obwohl sie 60% mehr Nahrungsmittel zu sich nehmen.(6)
Nicht-gestillte Kinder dieses Alters, deren Ernährung nicht aus Milch, sondern
in erster Linie aus "Babynahrung" und anderen "Kleinkindermenüs"
in Gläsern besteht, bekommen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nicht genug hochqualitative Nährstoffe. Sogar diejenigen, denen ein großes
Spektrum an ganz natürlichen Nahrungsmitteln angeboten wird, können durch
diese nicht ausreichend ernährt werden. Warum? Weil Kleinkinder bekanntermaßen
wählerische Esser sind. Gibt man ihnen jedoch die Gelegenheit an der Brust zu
trinken, sind sie mehr als willens dazu - insbesondere nachts. Und das sind die
vom Glück begünstigten. Im Hinblick auf die Nährstoffe, die die Muttermilch
bietet, und die Eßgewohnheiten von Kleinkindern, neigen diese nachts gestillten
Kinder dazu, besser ernährt zu sein, als ihre nicht gestillten Freunde mit
vergleichbarer Ernährung.
Immunität
Vor einigen Jahren, während einer andauernden Diskussion bezüglich des
Stillens, zitierte die Journalistin Ann Landers (ihre Kolumne erscheint in fast
allen U.S. Tageszeitungen) ihren medizinischen Ratgeber, und schrieb, dass
Kolostrum "keine Milch ist und keine Nährstoffe enthält". (7)
Landers (und ihr medizinischer Ratgeber) müßten seit der Zeit dazugelernt
haben. Umfassende Forschungsarbeiten haben bewiesen, dass Kolostrum eine extrem
nahrhafte erste Nahrung darstellt, genauso wie auch eine Hauptquelle für
Immunfaktoren.
Der Schutz gegen Krankheit endet nicht mit dem Übergang des Kolostrums in reife
Milch. Die Produktion von Immunglobulin G, Immunglobulin A, Lysozymen und
anderen Antikörpern geht während der Stillperiode weiter und nimmt in Fällen
einiger Immunkomponenten sogar zu. Der Lysozymspiegel erhöht sich um den
sechsten Monat der Laktation (Milchbildung), gerade wenn die Mobilität des
Babys beginnt, die es auf neue Infektionsquellen zutreibt. Bis zum 20. Monat der
Laktation sind die IgG- und IgA-Spiegel so hoch wie in der zweiten Woche. In
gestillten Babys aller Altersstufen verbinden sich die Immunglobuline,
Interferon und Laktoferrin mit Eisenmolekülen, um das Wachstum von Viren,
Bakterien und Pilzen zu verhindern. Zur gleichen Zeit kontrolliert der
Lactobacillus bifidus, gefördert von dem Bifidus-Faktor der Muttermilch, das
Wachstum von Staphylokokken und anderen Krankheitserregern in den Därmen des
Babys. (8)
Stillen bringt auch zusätzlich einen täglichen Schutz. Mütter und ihre Kinder
sind im allgemeinen den gleichen Krankheitserregern ausgesetzt. Mütter bilden
spezifische Antikörper zu diesen Organismen und geben sie während des Stillens
an ihre Kinder weiter. (9) Als Ergebnis sind gestillte Kinder häufig die
einzigen Familienmitglieder, die es vermeiden den
"Familienkrankheiten" zu erliegen. Außerdem erkranken sie weniger häufig
und bei weitem weniger ernst als ihre nicht-gestillten Altersgenossen.
Die sich in der Muttermilch befindenden Faktoren, die vor Krankheiten schützen,
bleiben über die Kindheit hinaus gut wirksam. In vielen Fällen gilt, je länger
die Dauer des Stillens, desto länger die Zeit der Immunität. Einige Studien
zeigen Langzeitschutz nach nur dreizehn Wochen Stillzeit. Andere zeigen Vorteile
bei soviel wie 30 Monaten Stillzeit; manche dieser Vorteile bleiben das ganze
Leben lang erhalten.
Im allgemeinen haben Kinder, die gestillt werden, eine niedrigere Rate von
Atemwegserkrankungen in den ersten drei Lebensjahren. (10) Diejenigen, die länger
als sechs Monate gestillt werden, haben nur ein Drittel der Mittelohrentzündungen
in den ersten drei Lebensjahren. (1)1 Wird überhaupt gestillt, egal wie lange,
reduziert dies die Anzahl an Mittelohrentzündungen in den ersten drei Jahren um
die Hälfte. (12) Infektionen, die auftreten, sind bis zu einem Alter von 27
Monaten um das drei- bis fünffache kürzer für Kinder, die zumindestens sechs
Monate gestillt wurden. (13)
Kinder die vier Monate oder länger gestillt wurden, haben ein geringeres Risiko
an einer durch Rotaviren verursachten Lebensmittelvergiftung zu erkranken und es
ist fünfmal weniger wahrscheinlich, dass sie daran ernsthaft erkranken. (14)
Kinder, die weniger als sechs Monate gestillt wurden, haben eine siebenmal höhere
Wahrscheinlichkeit Allergien zu entwickeln, als die die mehr als sechs Monate
gestillt wurden. (15)
Kinder die länger als sechs Monate gestillt werden sind auch gegen bakteriell
verursachte Hirnhautentzündung in den ersten fünf Jahren ihres Lebens geschützt.
(16)
Langzeitstudien sind ebenfalls aufschlußreich. Verglichen mit ihren
nicht-gestillten Altersgenossen entwickeln gestillte Kinder weniger oft schon im
Jugendalter auftretende Diabetes, entzündliche Verdauungsstörungen und bösartige
Geschwülste der Lymphknoten in der Kindheit. Sie haben auch weniger Lern- und
Verhaltensprobleme und späteres Auftreten von Zöliakie (Allergie gegen
Bestandteil glutenhaltiger Getreidesorten). (17)
Stillende Mütter profitieren ebenfalls. Frauen, die, auf ihre gesamte
Lebenszeit bezogen, insgesamt zwei Jahren stillen, haben ein um 40% verringertes
Risiko Brustkrebs zu entwickeln; (18) bei Müttern, die auf ihre gesamten
Lebensjahre bezogen sechs Jahre oder mehr stillen, geht das Risiko um zwei
Drittel zurück. (19) Außerdem vermindert Stillen auch die Wahrscheinlichkeit
Eierstockkrebs zu bekommen. (20) Weil die Knochendichte mit jedem gestillten
Kind zunimmt, erkranken stillende Mütter später weniger häufig an
Osteoporose. (21) Unter bestimmten Umständen trägt Langzeitstillen auch zur
Unterdrückung der Ovulation bei und hilft, dicht aufeinanderfolgende
Schwangerschaften zu vermeiden. (22)
Emotionale Bindung
Das Bilden einer Beziehung ist ein einzigartiger Prozeß für jedes
Mutter-Kind-Paar. Manchmal entstehen tiefe, starke Beziehungen unter sehr
schwierigen Umständen. Andere Male gehen Beziehungen unter ähnlichen Umständen
unter. Stillen hilft die Mutter-Kind-Beziehung zu entwickeln, und mit langem
Stillen wird diese Beziehung gefestigt. Mütter von Kleinkindern sind oft über
die Intensität ihrer Beziehungen mit diesen Kindern überrascht. Dies gilt
insbesondere für Mütter, die frühere Babys über einen kürzeren Zeitraum
gestillt haben.
Langes Stillen verstärkt die Bindung in vielfältiger Weise. Die Ausschüttung
von Prolaktin hilft der Mutter, sich zu entspannen und läßt sie
"Muttergefühle" entwickeln - was besonders dann von Vorteil ist, wenn
ihr Kind anfängt, Wünsche und Meinungen zu äußern, die mit ihren eigenen in
Konflikt treten. Als Ergebnis ist die stillende Mutter eines Kleinkindes eher
geneigt in Übereinstimmung mit ihrem Kind zu leben und ist sich der Gesundheit,
der Sicherheit und der emotionalen Entwicklung ihres Kindes bewußter. Der
regelmäßige Körperkontakt ist ein weiteres Plus. So wie Mann und Frau es in
erwachsenen Liebesbeziehungen genießen, sich häufig zu berühren, so tun dies
auch Mutter und Kind.
Sich berühren muß nicht sexuellen Kontakt bedeuten, obwohl dieser Vorwurf
manchmal schon gegen Mütter, die lange stillen, erhoben wurde. Sicher gibt es
das Argument, dass es etwas Perverses sei, ein Kind zu stillen, das alt genug
ist, um zu laufen und zu sprechen. In einem, vor ein paar Jahren in der Presse
vielfach veröffentlichten Fall, wurde in New York eine Frau des sexuellen Mißbrauchs
beschuldigt aufgrund des "Brust-Mund-Kontaktes mit ihrer zweieinhalb Jahre
alten Tochter; sie hat das Sorgerecht für ihr Kind für ein Jahr verloren. (23)
Andere Mütter haben das Sorgerecht für immer verloren, weil der Vater des
Kindes Stillen als Problem während eines Scheidungsverfahrens vorgebracht hat.
(24) Es gibt keinen Mangel an Experten, die ernsthaft bezeugen, dass Stillen über
zwölf Monate hinaus eine anfechtbare Vorgehensweise sei, vielleicht sogar eine
Art Mißbrauch - obwohl das weltweite durchschnittliche Alter des Abstillens bei
4,2 Jahren liegt. (25) Dunkle Warnungen über die Risiken andauernder
emotionaler oder sexueller Verkrüppelung, zurückgeführt auf das lange
Stillen, machen nur Sinn, wenn wir akzeptieren, dass die große Mehrheit der
Menschheit "verkrüppelt" ist.
Die emotionale Bindung, die durch langes Stillen geschaffen wird, ist ein
kontrovers behandeltes Thema in den Industrieländern. Oft wird die Frage
gestellt: Werden die Kinder nicht zu abhängig, wenn sie so lange gestillt
werden?" In anderen Kulturen wäre eine solche Frage absurd. Kleine Kinder
sind abhängig; sie müssen abhängig sein, damit sie ihre physischen und
emotionalen Bedürfnisse in einer sicheren Atmosphäre erfüllt bekommen, um
unabhängig werden zu können. Versuche, sie in die Unabhängigkeit zu drängen,
bevor sie dazu bereit sind, werden diesen Prozeß nur verzögern und den Weg für
Appetitlosigkeit, Krankheit und Entwicklungsrückschritte ebnen. Bedenken von
Erwachsenen hinsichtlich der Überabhängigkeit von Kindern spiegeln möglicherweise
deren Bedenken, selber angebunden zu sein und somit Verantwortung zu übernehmen.
Hindernisse beim langen Stillen
Eine Mutter, die das lange Stillen nicht genießt, hat einen guten Grund aufzuhören
- und einen guten Grund sich zu fragen, warum sie eine Erfahrung, die von der
Natur für sie geschaffen wurde, nicht als Langzeitfreude genießt. Wir sind in
der Ära ausgesprochenen Feminismus, ein wenig zögerlich geworden beim
Nachfragen, warum einige Frauen eine Aktivität, die früher als die Quintessenz
des "Frauseins" betrachtet wurde, nicht genießen. Teilweise ist es,
weil wir erkennen, dass viele Aktivitäten (Hausarbeit fällt einem sofort dabei
ein) unserer Frauennatur zugeschrieben wurden, weil es bequem war, dieses so zu
sehen. Weil Hausarbeit und Kinderpflege so oft als (Frauen-)Job in einen Topf
geworfen wurden, werden Geburt und Stillen - wirklich frauliche Aktivitäten -
von einigen als lästige Aufgaben, die bei der persönlichen Freiheit und
Entwicklung stören, angesehen. In Gesellschaften, die Geburten nicht wertschätzen
und in denen Gebärende ökonomisch und sozial verwundbar sind, kann die
Aussicht auf Begrenzung der Freiheit oder der Entwicklungsmöglichkeiten durch
die Mutterschaft sehr einschüchternd sein. Die Gründe, warum man dann will,
dass die Abhängigkeit des Kindes begrenzt werden soll, mögen von gut begründeten
Befürchtungen in Bezug auf die praktischen Konsequenzen für Mutter und Kind
abstammen.
Die Gesellschaft wendet ihren Einfluß auch über andere Wege an. Die
Industriewelt des späten 20. Jahrhunderts definiert Stillen nicht als
"sexy". Babys, insbesondere Kleinkinder an der Brust werden als
Rivalen zu denen, die vorher Ansprüche gestellt haben, gesehen: Ihre Väter
oder die Partner ihrer Mütter. Es kann sein, dass auch Mütter ihre Brüste
primär als Teil der Erwachsenensexualität ansehen, insbesondere in Kulturen,
die stillende Mütter von öffentlichen Orten wegschicken oder sie inhaftieren
wegen Stillens in der Öffentlichkeit. Der neueste Weg in Florida, nämlich das
Stillen aus den Gesetz gegen Unanständigkeit zu streichen - zum größten Teil
dem "Ersten Großvater" des Staates (dem Gouverneur, der während
seiner Amtszeit Opa geworden ist) zu verdanken - ist ein Schritt vorwärts. Dass
dies Oberhaupt notwendig war, ist bezeichnend für die Probleme, die wir haben,
die Brust als Nahrungsquelle anzuerkennen.
Manche Frauen (und ihre Partner) sind gegen das lange Stillen aus Angst vor Hängebrüsten
und ziehen, um ihre Ansicht zu beweisen, alte Exemplare des "National-Geographic"
heran, die afrikanische Stammesfrauen zeigen. Entgegen der Beweise, dass
Vererbung, Schwangerschaft und bestimmte kulturelle Praktiken (vergleichbar mit
denen für Ohren und Lippen) Hängebrüste fördern und damit die entscheidenden
Faktoren sind, kann keine noch so große Anzahl von Dokumentationen sie vom
Gegenteil überzeugen. Sie glauben, dass Frauen, die lange stillen, sich dem
bedrohlichen Risiko aussetzen, ihre Mädchenfigur (und vielleicht ihre Männer)
für immer zu verlieren. und in einer Gesellschaft, die Mädchenhaftigkeit der
Fraulichkeit vorzieht, ist das ein Risiko, das viele Frauen verständlicherweise
nicht eingehen wollen.
Sind das frivole Gedanken? Nicht unbedingt. Unter Frauen, die davon abhängig
sind, diese Erwartungen für ihr eigenes Wohlergehen und das Wohl ihrer Kinder
zu erfüllen, kann die Entscheidung, nicht "zu lange" zu stillen, eine
sehr praktische, gut überlegte Wahl sein. Für die meisten jedoch entspringt
diese Entscheidung weniger aus dieser Überlegung als vielmehr aus kulturell
verwurzelten Regeln.
Häufig beruhen die Einwände gegen langes Stillen auf pseudowissenschaftlichen
Argumentationen. Der immerwährende Favorit - dass Muttermilch schmutzig"
oder mit Schadstoffen belastet" ist zieht sich über Jahrhunderte und
Kontinente. Gabriele Palmer schreibt in "The Politics of Breastfeeding (Die
Politik des Stillens) über die Abscheu, mit der Ende des 19. Jahrhunderts
Nachbarn aus Oberbayern reagiert haben, als "eine Frau ... aus
Norddeutschland ... ihren Säugling selbst stillen wollte." Sie wurde
"öffentlich als schweinig und schmutzig von ortsansässigen Frauen
beschimpft. Ihr Ehemann drohte, dass er nichts mehr essen würde, was von ihr
zubereitet würde, wenn sie diese abscheuliche Gewohnheit nicht aufgeben würde.
(26)
Ein dreiviertel Jahrhundert später kam meine fünfjährige Tochter in Tränen
aufgelöst von einer Spielkameradin nach Hause, weil die Mutter ihrer Freundin
sagte: "Es ist schmutzig und krankheitserregend, wenn deine Mutter euer
neues Baby so ernährt. Es wird erkranken und sterben."
Zu dieser Zeit erreichte die DDT-in-der-Muttermilch-Panik die USA. Mütter, die
schnell ihre Milch überprüfen ließen, wurden vor gräßlichen Konsequenzen
gewarnt, wenn sie nicht sofort abstillten. Keiner konnte irgendeinen Schaden an
Kindern nachweisen, die nicht abgestillt wurden, sowie auch keiner in der Lage
war, Schädigungen durch irgendeinen anderen Schadstoff in den folgenden Jahren
nachzuweisen. Nichts jedoch konnte zwei Generationen von "Experten"
abhalten, die Mütter zu ermahnen, vorsichtig zu sein, wenn sie ihren Kindern
dieses "gefährliche" Produkt anbieten, das nur Mütter herstellen können.
Heißt das, dass wir Schadstoffe nicht Ernst nehmen sollen? Überhaupt nicht. Es
ist ein Skandal - und zwar ein gefährlicher -, dass sogar das ideale
Nahrungsmittel der Natur mit ungesunden chemischen Zusätzen belastet ist.
Unsere Aufgabe an diesem Punkt ist, vernünftig zu handeln.
- Praktisch ist alles in irgendeiner Art kontaminiert. Das Problem zu lösen heißt,
es an der Wurzel zu packen - die unkontrollierten Emissionen dieser Chemikalien
in die Umwelt. - Es gibt keine zufriedenstellende Alternative zur Muttermilch.
Indem man das Stillen einschränkt und sich einem Ersatz zuwendet, tauschen wir
bekannte Vorteile gegen theoretische Nachteile ein. Wie theoretisch sind diese
Nachteile? Karen Pryor schreibt 1991 in ihrer Ausgabe von "Nursing Your
Baby" (Beim Stillen deines Kindes):" In Südvietnam, wo der Gehalt an
Herbiziden in Muttermilch
30.000 mal höher war als in Muttermilch in den USA, zeigten Menschen, die
gestillt wurden, keine beobachtbaren oder Langzeiteffekte. (27) In den zwei
Jahrzehnten, die seit dem Ende des Vietnamkrieges vergangen sind, kam kein
Beweismittel auf, das die Befürchtungen bezüglich spät auftretender Schäden
unterstützt hätte. - Die wichtigsten Übertragungswege für Schadstoffe sind
nicht Nahrungsmittel sondern die Luft und die Plazenta. Der umweltpolitische
Druck ist richtig, die Luft zu reinigen. Es wäre logischer, die Mutter-zu-Kind-Übertragung
von Schadstoffen in Warnungen gegen Schwangerschaften auszudrücken (nicht gegen
das Stillen), trotzdem hat bis jetzt niemand angedeutet dass Frauen aus diesem
Grund keine Kinder bekommen sollten.
Theoretische Risikofaktoren, verbunden mit der individuellen Schadstoffaufnahme,
werden über die gesamte Lebenszeit berechnet. Die Warnung, dass ein bestimmter
Wert überschritten wird, geht also davon aus, dass die Aufnahme über das ganze
Leben verteilt konstant bleibt. Nach meinem Wissen geht das späteste Stillen in
unserer Geschichte auf eine Statue im Louvre in Paris zurück, die Pero
darstellt, die ihren alten Vater Simon stillt, um zu verhindern, dass er durch
Hunger im Gefängnis stirbt. Im richtigen Leben gelingt es sogar den
begierigsten Stillkindern, sich vor ihrem hohen Alter abzustillen. Vielmehr wird
der tägliche Schadstoffkonsum in Verlauf der Stillzeit stark reduziert -
teilweise, weil die ]Kinder, wenn sie größer werden, seltener gestillt werden
und teilweise, weil die Schadstoffe in der Muttermilch durch die Ausscheidung
verringert werden. Deshalb ist die Sorge um das lange Stillen, die auf der
lebenslangen täglichen Aufnahme basiert, einfach unbegründet. Auch wenn einige
sehr gute Gründe frühzeitig abzustillen gefunden werden könnten, Schadstoffe
in der Muttermilch ist keiner von ihnen.
Wann sollte ein Kind abgestillt werden? Das ist wie die Frage, wann ein Kind aus
den Windeln raus sein mußte oder Sätze sprechen oder Fahrrad fahren lernen
sollte. Es ist alles eine Frage der Entwicklung. Manche Kinder sind früher als
der Durchschnitt, andere später, und die meisten später, als wir in
allgemeinen denken. Außerdem betrifft das Abstillen zwei Personen, und
Beziehungen unterwerfen sich nicht einfachen Gesetzen.
Nur wenn Müttern genaue, gut dokumentierte Informationen vorliegen und wenn
Eltern anerkannt und unterstützt werden in ihrer Rolle als primäre Versorger
und Entscheidungsträger für ihre Kinder, kann die Abstillentscheidung
getroffen werden - mit individuellen Bedürfnissen im Hinterkopf. Wir sind noch
sehr weit entfernt davon, den heutigen Eltern eine solche Atmosphäre
anzubieten.